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Syrer Anoar Raed erster Flüchtlings-Referee im Kreis

In gelben Kniestrümpfen und einem farblich harmonierenden T-Shirt betritt Anoar Raed den Kunstrasenplatz in Hohenlimburg. Er bewegt sich gemächlich auf die Mittellinie zu, zählt einmal durch – 22 Jungen stehen auf dem Platz – Anpfiff.

Dass die Partie vom ersten Flüchtlings-Schiedsrichter des Fußballkreises Hagen/Ennepe-Ruhr geleitet wird, davon nehmen die C-Junioren von Eintracht Hohenlimburg/TuS Holthausen und SV Boele-Kabel, die sich an diesem Abend gegenüberstehen, keine Notiz. Sie sprechen den Referee, der vor einem Jahr aus Syrien nach Deutschland geflüchtet ist, wie gewohnt mit „Ey Schiri“ an.

Anoar Raed ist seit drei Jahren nicht mehr in seiner Heimat gewesen. Nachdem er Syrien verließ lebte er mit seiner Familie ein Jahr im Libanon, mit ihr schlug er sich weiter in die Türkei durch und reiste von dort aus alleine über die gefährliche Mittelmeer-Route nach Deutschland. Hier möchte er seiner Frau und seinen beiden Kindern, dreieinhalb und zwei Jahre alt, bald eine sichere Zukunft ermöglichen. „Den Familiennachzug habe ich beantragt, im Moment warten wir auf einen Termin in der deutschen Botschaft in Istanbul“, berichtet Raed, der eine Gestattung für die nächsten drei Jahre in Deutschland erhielt und in Hagen eine kleine Wohnung bezogen hat.

Der gelernte Kommunikationstechniker fühlt sich in seiner neuen Heimat wohl. „In Hagen ist wirklich alles super“, sagt der 30-Jährige, der zuvor in Flüchtlings-Camps in Bad Berleburg und Paderborn gelebt hat. Da er aufgrund seines aktuellen Asyl-Status noch nicht arbeiten darf und er eine sinnvolle Aufgabe ausüben wollte, lag es nahe, hier seine Fußball-Schiedsrichtertätigkeit fortzusetzen. In Syrien leitete er Spiele in der höchsten Liga, die entsprechende Qualifikation ließ er sich per E-mail bestätigen. Über den Fußballklub Hagen United, in dem Flüchtlinge und andere Sportbegeisterte zusammen kicken, wurde es ihm ermöglicht, im Oktober zum ersten Mal in Deutschland als Unparteiischer im Ligabetrieb aufzulaufen.

„Er hat bei uns anfangs Trainingsspiele geleitet und hat das gut gemacht“, berichtet United-Klubchef Andre Sänger. Man nahm Verbindung auf zu Kreisschiedsrichter-Obmann Patrick Lepperhof, der seinen Einsatz auch bei Meisterschaftsspielen absegnete. „Anoar Raed spricht gut genug Deutsch und kommt auch mit den medialen Anforderungen wie dem Ausfüllen des elektronischen Spielberichts zurecht“, berichtet Sänger, der sich darüber freut, dass sein Klub passend zum einjährigen Bestehen den ersten Flüchlings-Unparteiischen in seinen Reihen hat. „Wir müssen pro Mannschaft einen Schiedsrichter stellen und wollen eine Zweitvertretung aufmachen“, würde sich Sänger wünschen, dass Anoar Raeds Beispiel Schule macht.

Die Kosten für die Schiedsrichterkluft übernahm Dr. Mithat Köseoglu, Vorstandsmitglied und Sponsor von Hagen United. Köseoglu ist in der Türkei aufgewachsen und kam im Alter von 26 Jahren nach Deutschland. „Hier wurde mir mein Zahnmedizinstudium angerechnet, ich konnte arbeiten. Die gleichen Sorgen wie Herr Raed hatte ich also nicht“, freut sich der Zahnarzt darüber, dass er anderen Migranten helfen kann.

Vorerst beschränkt sich die Tätigkeit von Anoar Raed auf die Leitung von Jugendspielen im Fußball-Kreis 13. Der Traum des Syrers ist es, einmal in der Fußball-Bundesliga als Schiedsrichter aufzulaufen. Träume sind nicht verboten.

Text: Christina Schröer; Foto: Dr. Mithat Köseoğlu