Club: „Pöhlen“ mit Flüchtlingen

Er ist fußballverrückt. Das sagt er von sich selbst. Doch als er vor knapp einem Jahr begann, gemeinsam mit Bernd König vom Kultopia und ein paar jungen Männern zu kicken, die es auf der Flucht aus ihrer Heimat nach Hagen verschlagen hatte, ahnte er noch nicht, wohin ihn seine „Verrücktheit“ führen sollte. Im Herbst gründeten André Sänger und 13 Mitstreiter den Verein „Hagen United“, den ersten Fußballverein Deutschlands, der neu gegründet wurde, um Flüchtlingen eine sportliche Heimat zu geben.

„United“ – also „vereinigt“ – wird hier wörtlich genommen. Zurzeit trainieren etwa 25 Flüchtlinge aus den unterschiedlichsten Ländern zweimal pro Woche auf dem Sportplatz Waldlust in Wehringhausen. Doch der Sportverein ist offen für alle, die „einfach pöhlen“ wollen. Flüchtlinge, Deutsche, Migranten. Menschen mit viel, aber auch mit wenig Geld. 60 Euro zahlen aktive Mitglieder pro Jahr, 30 Euro passive. Und: „Wir haben Sonderbeiträge für Bedürftige geschaffen, die sich die Mitgliedsbeiträge nicht leisten können“, sagt André Sänger, der seit der Vereinsgründung als erster Vorsitzender fungiert.

Deutsche Sprache auf dem Platz

„Bei uns geht’s ums Miteinander“, sagt Stefan Arnold, wie André Sänger Gründungsmitglied des jungen Vereins. „Wir wollen etwas bewegen.“ Hagen United möchte Integration ohne Klischees bieten. Begegnungen auf Augenhöhe. Trainingseinheiten, aber auch private Aktivitäten.

Der Sport steht im Mittelpunkt, doch der Verein sorgt gleichsam für das Eintauchen in die deutsche Kultur. André Sänger muss schmunzeln. Er spricht von einer ganz besonderen deutschen „Tugend“: der Pünktlichkeit. Um 18.30 Uhr ist bei Hagen United Trainingsstart. „Beim ersten Mal kamen einige Spieler erst um 19.15 Uhr“, erinnert sich der erste Vorsitzende. Sie wunderten sich, dass sie, kaum umgezogen, schon wieder einpacken mussten. „Die Begeisterung macht’s, dass unsere Spieler jetzt größtenteils schon um 18 Uhr am Platz sind“, sagt André Sänger.

Ein Eintauchen in die deutsche Kultur ist aber nur möglich, wenn man die deutsche Sprache beherrscht. „Die Flüchtlinge haben, wenn sie Glück haben, bereits einen halbjährigen Sprachkurs hinter sich“, sagt André Sänger. Doch was geschieht dann? Hagen United gibt auch hier eine Antwort. „Offizielle Trainingssprache“ ist Deutsch. Das ist Sprachunterricht der besonderen Art.

Wer sich langweilt, macht Unsinn

„In manchen Kreisen ist es schick geworden, sich um Flüchtlinge zu kümmern“, sagt Stefan Arnold. „Wir wollen aber nicht schick sein, sondern etwas reißen.“ Nicht nur sportlich. Auch gesellschaftlich. Er weiß, dass vielen sportlichen jungen Männern in den Flüchtlingsunterkünften die Decke auf den Kopf fällt, weil sie nichts zu tun haben, weil sie nichts tun dürfen. „Wer sich langweilt, macht Unsinn“, sagt Stefan Arnold. Hagen United wirkt der Langeweile entgegen. Denn: „Die Spieler sind heiß auf Fußball“, sagt Stefan Arnold. Aber auch auf Begegnungen, Austausch und Freundschaften. All das gibt’s im Verein. Und mehr. Die gemeinsame Weihnachtsfeier beispielsweise. Für all die Vertreter der unterschiedlichsten Religionen ein unvergessliches Erlebnis.

In der Rückrunde möchte das Team von Hagen United ins Ligageschehen der Kreisklasse C eingreifen. Zunächst außer Konkurrenz. Doch in der nächsten Saison, wenn die Kicker von Hagen United von Anfang an dabei sein können, „wollen wir die Liga rocken“, sagt André Sänger.

Toller Trainer im Ehrenamt

Viel Unterstützung haben die engagierten Sportler und Vereinsgründer bereits erlebt. Die Fernuniversität beteiligt sich mit Studienberatungen, aber auch mit Trikots. Adigo Sports hat dem jungen Club mit Trainingsmaterial unter die Arme gegriffen. Der Verein „Hagen ist bunt“ hilft an vielen Stellen mit Rat und Tat weiter. Eine professionelle Internetseite wird für „Hagen United“ kostenlos gestaltet. „Wir haben an viele Türen geklopft und viel Hilfe bekommen“, sagt André Sänger.

Sogar von unerwarteter Seite. Peter Loche, bis vor kurzem Bezirksliga-Trainer des SSV Hagen und Co-Trainer der Fußball-Feuerwehr-Nationalmannschaft, hat sich in den Dienst der guten Sache gestellt. Die Vereinsmitglieder sind stolz: „Peter Loche trainiert uns ehrenamtlich“, sagt André Sänger. „Dabei hat er bestimmt viele lukrative Angebote von anderen Clubs.“

Ehrenamtliche Hilfe leistet auch Barry Dyalla. Er organisiert, bringt die Kicker in seine Auto zum Sportplatz und wieder zurück zur Budhaltestelle, er kümmert sich und ist nicht wegzudenken.

Gebraucht werden Fußballschuhe

Immer noch ist der Club auf Spenden angewiesen. „Wir brauchen gute, gebrauchte Fußballschuhe“, sagt André Sänger. Aber auch Shirts, Trainingsanzüge, Hosen, Handtücher oder warme Sachen – kurzum alles, was beim Training wichtig sein kann. Die Spieler freuen sich über jede Unterstützung.

Wer mag, kann die Arbeit von Hagen United auch mit Geldspenden unterstützen. Die IBAN lautet: DE39 3306 0592 0005 2020 15; BIC: GENODED1SPW. Spendenquittungen können ausgestellt werden.

Willkommen beim Training

Montags und mittwochs, jeweils von 18.30 bis 20 Uhr, trainieren die Kicker aus vieler Herren Länder auf dem Sportplatz Waldlust. Gäste sind willkommen – zum Zuschauen, Zujubeln oder Mitkicken. „Wir sind offen und multikulti“, sagt André Sänger. „Wir pflegen einen respektvollen Umgang miteinander.“ Die Spieler, das ergänzt er, sind absolut wissbegierig und im besten Sinne des Wortes fußballverrückt. Wie der erste Vorsitzende. Wie all die anderen engagierten Clubmitglieder. So soll es auch bleiben.

Der neue Verein ist auf Facebook unter Hagen United e.V. zu finden.

Text: Wochenkurier Hagen

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